13 Vorwort

Vorwort Monographie

RENÉ ZEH 13

Dr. Vanessa Joan Müller
Kunsthalle Wien 2014

Es scheint, als habe sich über die reale Welt eine zweite, mit Photoshop nachbearbeitete geblendet, eine bessere, schönere Welt, die insistierend darauf besteht, die reale sei nur mehr eine Variante ihrer selbst, die den Prozess der Ästhetisierung erst noch zu durchlaufen habe.

Es wäre deshalb zu einfach, den Strategien gegenwärtiger kommerzieller Bildproduktion die Propagierung von Wunschwelten vorzuwerfen. Sie entwerfen nämlich gar keine fiktiven Traumszenarien mehr, sondern haben längst die Regie darüber übernommen, wie wir uns die Welt vorzustellen habe und sie letztlich auch gestalten.

Am Beginn der meisten Entwürfe – für Möbel, Häuser, Fotostrecken in Zeitschriften, Modekollektionen etc. – steht ein Moodboard, eine Collage unterschiedlicher Bilder, Texturen und Materialproben, die eine Stimmung davon vermitteln, wie das noch zu entstehende Produkt aussehen könnte, in welche Umgebung es passt, wie es sich idealerweise anfühlt. Vor dem Produkt steht das Ambiente, in das es sich einfügen soll.

Die Welt aus der Sicht der Gestalter fächert sich entsprechend in verschiedene Ambiente aus, Wohnwelten, Duftwelten, Farbwelten, die wie ein anspruchsvolles Baukastensystem funktionieren und für jede Lebenslage das Passende liefern.

Dass dieses Entwerfen von Lebenswelten früher gelegentlich durchaus eine idealistische Komponente umfasst hat, bei der die Idee des Designs im weitesten Sinne mit der Vorstellung eines auch unter sozialen Aspekten verbesserten Lebens einherging, ruft uns die Kunst der Gegenwart immer dann in Erinnerung, wenn sie das Formenvokabular der Moderne in ihre eigenen Werke interpretierend integriert. Hinter dieser nostalgischen Sehnsucht nach der Moderne steht vermutlich weniger die Sehnsucht nach dem Vergangenen selbst, als nach den Wunschvorstellungen und Utopien, die im Zeitalter der großen Erzählungen noch möglich waren. Oder aber der Wunsch, das Potenzial sozialer Gestaltung durch ästhetische Innovation wiederzugewinnen, ohne das Gefallen an dem mittlerweile zur reinen Form erstarrten Modernismusdesign aufgeben zu müssen.

René Zeh geht jedoch einen anderen Weg, sich mit dem Einfluss der Moderne (ein zugegebenermaßen etwas unscharfer Begriff) auf unsere von Oberflächen und Materialästhetik faszinierte Zeit auseinanderzusetzen. Ausschnitte aus Hochglanzmagazinen und gestylte Fotostrecken spielen dabei eine wichtige Rolle, und zwar durchaus affirmativ besetzt. Im Gegensatz zu anderen künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Maschinerie des Imaginären und den ihr angeschlossenen Verwertungsketten taucht in seinen Werken jedoch ein Element auf, das diese Hochglanzwelten einerseits rahmt, andererseits aber auch eigentümlich bricht. Das modellhaft Unfertige, Selbstgebaute und die Verwendung standardisierter Baumaterialien, die auf den perfekten Finish verzichtet, bringen in seinen Arbeiten nämlich noch einmal jene Entwurfsästhetik ein, die das Arbeiten am Design geprägt hat, bevor das Computerprogramm mit seinen virtuellen Entwurfswelten die allgemeine Gestaltungshoheit übernommen hat. Und so entsteht etwas, das sich vielleicht als negative oder zumindest skeptische Moodboards bezeichnen ließe: Entwurfscollagen für eine Gegenwart, der das Potenzial des radikal anderen Denkens im Zuge ihrer globalen kommerziellen Verstrickungen schlicht und einfach abhanden gekommen ist, das als Ruine aber immer noch existiert. Und so finden die Ideen der Avantgarde, des International Design, der Haute Couture zwar Eingang in sein Werk, werden aber von einer leicht trashigen Gebrauchsästhetik überzogen. Dabei geht es nicht einfach um eine kritische Hinterfragung oder ein grundsätzliches Infragestellen.

Es handelt sich eher um eine Montage, die Widersprüche sichtbar werden lässt, ohne sie explizit zu benennen. So wie wenn zwei Systeme aufeinander treffen, die zwar nicht gänzlich inkompatibel sind, aber zu Störanfälligkeiten neigen.

Die vitruvianische Urhütte prägt viele von René Zehs an Architekturentwürfe erinnernde Skulpturen, ebenso die Idee der Case Study Houses der Architektur-Elite der amerikanischen Nachkriegsmoderne. In ihrer betont einfachen Gestaltung, ihren rohen Materialien und ihrer Verweigerung perfekter Fassaden wirken diese Skulpturen und Installationen wie ein verstörtes Echo auf die Makulatur gewordene Utopie der sozial gemeinten, letztlich aber zum Luxusambiente geratenen Vorzeigeimmobilien. 

Ein anderes wiederkehrendes Motiv ist die Vitrine aus standardisierten Baustoffen, die  collagierte Zusammenstellungen von Seiten aus Zeitschriften und Modemagazinen, Abbildungen eigener Werke und überarbeitete Zeitungsausschnitten präsentiert, oder die filmische Aneinanderreihung von Einladungen zu Kunstaustellungen. Auch diese Präsentationsflächen loten Stimmungslagen aus und verdichten Motive, ohne auf konkrete Situationen zu verweisen. Sie eignen sich ein Entwurfspotenzial an, formatieren es aber neu. Sie sind sie Verweise auf Bereiche, in denen Ideen Form annehmen und an die Öffentlichkeit treten. In ihrer Akkumulation des immer Gleichen umweht sie dabei jedoch stets ein leichter Zweifel, wohin das letztlich eigentlich alles führen soll.

RENÉ ZEH 13

2012-1999
Ausstellungen, Arbeiten
Exhibitions, Works

128 Seiten, 145 Farb-Abb.
21 x 27,7cm, Softcover
Deutsch/Englisch

With texts by Marcus Lütkemeyer, Dr. Vanessa Joan Müller and René Zechlin

ISBN 978-3-95763-006-3

Revolver Publishing
Berlin

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